Impulse & Tool-Tipps

Drop your tools or you will die!

7. März 2025

Vom Methodenkoffer und Techniktraining zur Beziehungsgestaltung

Warum Tools allein nicht ausreichen – und was du als Coach stattdessen mehr tun solltest 

Change Management Ausbildung Leitfaden

Ich lüfte gleich zu Beginn ein Geheimnis: Ich liebe Tools. Ja, wirklich. Gutes Handwerkszeug, clevere Methoden, durchdachte Modelle – all das kann unglaublich wirkungsvoll sein. Es hilft uns, Strukturen zu schaffen, Prozesse zu lenken und manchmal auch, uns als Coach ein wenig sicherer zu fühlen. 

Und doch gibt es einen entscheidenden Moment im Coaching, in dem all das nicht mehr ausreicht. Ein Moment, in dem es nicht um die richtige Frage aus dem Methodenbaukasten geht, sondern etwas anderes wichtiger wird: Präsenz, Kontakt, Beziehung. 

Kürzlich bin ich auf den Satz „Drop your tools or you will die“ gestoßen. Er stammt von Karl Weick, emeritierter Professor für Organisationspsychologe, der unter anderem eine Theorie des Loslassens entwickelt hat und aus einem völlig anderen Kontext (bei einem Waldbrand starben Feuerwehrleute nur deshalb, weil sie trotz Aufforderung ihre schweren Werkzeuge nicht losließen und den Rückzug nicht schnell genug antreten konnten).  

Und genau darum geht es in unserer systemischen Coaching-Ausbildung am Campus am See. Natürlich vermitteln wir Tools – aber wir glauben nicht, dass sie alleine gutes Coaching ausmachen.  

Tools als Krücken – sinnvoll, aber nicht für immer 

Stell dir vor, du hast dir ein Bein gebrochen. Am Anfang sind Krücken unverzichtbar. Sie helfen dir, wieder in Bewegung zu kommen, Sicherheit zu gewinnen und dich nicht bei den ersten Schritten zu überfordern. Aber stell dir vor, du würdest sie nie wieder loslassen. Würdest du dich dann wirklich frei bewegen können? 

So ist es auch mit Coaching-Methoden. Sie sind wunderbare Gehhilfen. Sie helfen uns, ins Tun zu kommen, Strukturen zu erkennen, Impulse zu setzen. Aber wenn wir uns zu sehr an ihnen festhalten, wird es ungut: Wir hören auf, wirklich hinzusehen. Wir suchen nicht mehr nach dem, was jetzt gerade wirklich gebraucht wird, sondern nach dem, was wir „anwenden“ können. Gutes Coaching aber entsteht im Raum zwischen den Methoden. In dem Moment, in dem wir den Menschen vor uns wirklich sehen, in Kontakt mit ihm gehen – und auch mit uns selbst. 

Warum es Mut braucht, die Tools loszulassen 

„Drop your tools“ klingt erstmal einfach. Aber tatsächlich braucht es gerade am Anfang ganz schön viel Mut, die Methoden auch mal loszulassen. Denn ohne sie fühlen wir uns oft … nackt. 

Ein Beispiel:
Ein Coachee erzählt von einem Konflikt, der ihn seit Jahren begleitet. Du spürst die Emotionen, die Unsicherheit, das Ringen um Klarheit. Und jetzt? Ziehst du die „5-Schritte-Konfliktlösung“ aus der Tasche? Oder hältst du den Raum aus, ohne ihn sofort zu „füllen“? 

Oft entsteht genau hier die tiefste Veränderung: wenn wir den Mut haben, einfach da zu sein. Ohne sofort eine Lösung zu liefern. Ohne eine Technik zwischen uns und den Coachee zu schieben. Das bedeutet nicht, dass Tools „schlecht“ sind. Aber sie sollten uns dienen – und nicht umgekehrt. 

Man kann nicht nicht in Beziehung sein 

Paul Watzlawick hat einmal gesagt: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Ich lehne mich jetzt mal aus dem Fenster und sage: Man kann nicht nicht in Beziehung sein. Egal, ob du willst oder nicht – sobald du mit einem Coachee in einem Raum (physisch oder virtuell) bist, entsteht eine Beziehung. Und genau diese Beziehung ist es, die Coaching wirksam macht. 

Die größte Coaching-Wirksamkeitsstudie (Ashridge Business School, Erik de Haan, 2013) zeigt es eindeutig: Nicht die Methode, nicht das Tool, nicht das Setting entscheidet über den Erfolg eines Coachings – sondern die Qualität der Beziehung zwischen Coach und Coachee. Und das ist genau der Punkt, an dem viele Coaching-Ausbildungen zu kurz greifen. Sie lehren Methoden, sie trainieren Fragen, sie bieten Modelle – aber sie lassen die Beziehungsgestaltung als Kompetenz oft im Hintergrund. Wir haben uns am Campus am See bewusst anders entschieden. 

Systemische Perspektive: Coaching als Impulsgeber für Selbstorganisation 

Systemisch betrachtet sind Menschen – und auch Coachings – nicht einfach nur lineare Ursache-Wirkungs-Prozesse. Menschen sind hochkomplexe, selbstorganisierte Systeme. Das bedeutet: Ein Coaching „verändert“ den Coachee nicht. Vielmehr setzt Coaching Impulse, die sich in diesem System weiterentwickeln, mit vorhandenen Strukturen interagieren und auf völlig unerwartete Weise wirken können. Das ist auch der Grund, warum mechanistische „Wenn-dann“-Lösungen in der Praxis oft nicht funktionieren. Ein Coach kann nicht einfach „das richtige Tool“ anwenden und damit garantieren, dass der Coachee die gewünschte Veränderung durchläuft. 

Aus systemischer Sicht ist Coaching immer ein Prozess der Wechselwirkung. Der Coach ist nicht nur Beobachter, sondern selbst Teil des Systems. Das bedeutet: 

  • Deine Haltung beeinflusst den Prozess genauso wie die Fragen, die du stellst.
  • Deine innere Klarheit hat direkten Einfluss darauf, was dein Coachee als möglich oder unmöglich empfindet.
  • Dein eigenes Erleben im Coaching-Raum ist keine Störung, sondern ein wertvolles Signal für das, was zwischen euch entsteht. 

Das setzt voraus, dass wir uns selbst als Teil des Coaching-Systems verstehen und nicht als „Technikanwender“ außerhalb des Geschehens. Genau hier zeigt sich, warum reines Methodenwissen nicht reicht: Ein Coach, der sich seiner eigenen inneren Prozesse nicht bewusst ist, wird unbewusst Teil des Problems statt Teil der Lösung. Daher arbeiten wir in unserer Ausbildung nicht nur mit Techniken, sondern viel mit Selbstreflexion, Supervision und persönlicher Erfahrung.  

Selbstkontakt als Grundlage für echten Kontakt 

Eine der wichtigsten Fähigkeiten für Coaches ist damit der Selbstkontakt. Denn nur, wenn wir mit uns selbst in Verbindung sind, können wir auch wirklich in Beziehung mit unseren Coachees treten. 

Ein paar Fragen zur Selbstreflexion: 

  • Wie bewusst bist du dir deiner eigenen Emotionen während eines Coachings?
  • Kannst du unterscheiden, was aus dir kommt – und was aus dem Coachee?
  • In welchen Momenten fühlst du dich im Coaching „verloren“ – und was passiert dann in dir? 

Ein Coach, der sich dieser Prozesse bewusst ist, kann präsent sein, ohne sich zu verlieren. Und genau darin liegt die größte Wirksamkeit. 

Beziehungsgestaltung als Kernkompetenz des Coachings 

In unserer Ausbildung steht deshalb neben den Tools noch ein weiterer, wichtiger Aspekt im Mittelpunkt: Kontakt- und Beziehungskompetenz. Denn Coaching bedeutet nicht nur, kluge Fragen zu stellen. Es bedeutet, einen Raum zu öffnen, in dem der Coachee sich selbst begegnen kann – mit all seinen Themen, Emotionen und ungelösten Fragen. 

Das gelingt aber nur, wenn wir als Coaches eine Haltung entwickeln, die den Prozess wirklich trägt: 

  • Präsenz: Ganz beim Coachee sein – aber auch bei sich selbst. 
  • Emotionale Klarheit: Die eigenen Emotionen wahrnehmen, aber nicht von ihnen gesteuert werden. 
  • Offenheit für alles, was kommt: Ohne Bewertungen, ohne den Drang, sofort „etwas tun zu müssen“. 
  • Augenhöhe: Kein „Besser-Wissen“, sondern echtes Interesse am inneren Erleben des Coachees. 

Diese Haltung ist nichts, was man „anwenden“ kann. Sie ist auch nichts, was sich in zwei Tagen Training „lernen“ lässt. Sie entsteht durch Erfahrung, Reflexion und eine tiefere Auseinandersetzung mit sich selbst. Genau deshalb haben wir nach der Coaching-Ausbildung übrigens noch eine weitere Vertiefung geschaffen: die systemische Therapie-Ausbildung. Viele unserer Teilnehmenden merken nämlich nach der Coaching-Ausbildung: Da gibt es noch mehr. Ich möchte noch tiefer in das Menschliche eintauchen. Ich möchte noch mehr über Entwicklungsprozesse verstehen – bei anderen und bei mir selbst.  

Sie fragen sich: Was ist, wenn ein Coachee mit tieferliegenden Mustern kommt? Mit Themen, die nicht durch eine einfache Perspektivveränderung lösbar sind? Diese Sehnsucht nehmen wir ernst. Für viele unserer Absolvent:innen ist das eine logische Fortsetzung ihrer Entwicklung – als Coach und als Mensch. Systemische Therapie öffnet einen weiteren Raum, in dem auch unbewusste Prägungen, emotionale Blockaden und tief verwurzelte Muster betrachtet werden können. 

Coaching mit einem soliden Fundament 

Letztlich geht es um die Basis, auf der Coaching steht. Wir können ein Haus auf Sand bauen – mit vielen Methoden, die kurzfristig gut funktionieren. Oder wir bauen auf ein solides Fundament: eine tragfähige, professionelle Beziehung zwischen Coach und Coachee. Wir am Campus am See haben uns für das zweite entschieden. Und vielleicht möchtest du auch nicht nur ein Coaching-Handwerk lernen, sondern eine Coaching-Haltung entwickeln. Vielleicht möchtest du Coaching nicht nur „machen“, sondern wirklich wirksam sein. Dann könnte unser Ansatz genau der richtige für dich sein. 

Und jetzt? 

Vielleicht magst du einmal beobachten, wo du in deiner eigenen Coaching-Praxis stehst: 

  • Wann hast du dich das letzte Mal bewusst entschieden, ein Tool nicht zu nutzen?
  • Wann hast du dich wirklich auf die Beziehungsebene eingelassen, ohne nach der „richtigen Technik“ zu suchen?
  • Und was würde passieren, wenn du – nur für einen Moment – die Krücken loslässt und einfach gehst? 

Vielleicht ist genau da die größte Wirksamkeit. 

Gründerin & CEO Campus am See & CHANGE COLLECTIVE
Ausbilderin | Lehrcoach | Executive Coach | Change-Expertin

 

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