Fragen über Fragen

von | 14/12/2020 | Impulse & Tool-Tipps

Was dem Musiker sein Instrument, sind dem Coach seine Fragen 

Die beste Frage wird hohl klingen, wenn sie nicht einer wertschätzenden Grundhaltung entsprungen ist

Schon Goethe sagte einst »Wenn du eine weise Antwort verlangst, musst du vernünftig fragen«. Oder um es in ein Bild zu packen: Was dem Musiker sein Instrument, sind dem Coach seine Fragen. Sie sind das Instrument, das wir im besten Fall so selbstverständlich beherrschen, dass wir im gemeinsamen Prozess stets den richtigen Ton treffen.

Fragen sollen unsere Klienten dort abholen, wo sie gerade stehen und sie dort hinbringen wo sie gerne wäre. Unsere Fragen sollen den Suchprozess der Klienten anregen und neue Wahrnehmungsmöglichkeiten anbieten. Neue Wahrnehmungen können zu neuen Gedanken führen, die wiederum neue Handlungen ermöglichen. Mit jeder Frage implizieren wir so ein Angebot, wie die Wirklichkeit gesehen und beschrieben werden könnte. Jede unserer Fragen nimmt so aktiv Einfluss auf den Verlauf des Gesprächs. Diesen Einfluss gilt es für unseren Auftrag und unsere Klienten zu nutzen, indem wir auf Kompetenzen und erwünschtes Erleben zulaufen. Die Antworten unserer Klienten strukturieren dabei unsere Fragen und damit gleichzeitig den zirkulären Wechselwirkungsprozess im Coaching – Fragen verursachen Antworten, Antworten verursachen Fragen. Systemische Fragen sind daher kein Tool der Informationserhebung, das unsere Neugierde als Coach stillen soll. Sie sind Angebote im Suchprozess Richtung gewünschtes Erleben.

Pauschal gut oder schlecht, passend oder unpassend, kann eine Frage eigentlich nicht sein. Gleichzeitig haben sich im systemischen Coaching bestimmte Eigenschaften für Fragen als besonders stimmig und effektiv erwiesen. Außerdem gibt es einige Impulse, die unserer Erfahrung nach helfen, solche Fragen zu konstruieren.

Die »gute« Frage…

…gibt einen Vorgeschmack auf die Lösung

Die Frage hat die individuelle Lösung, den angestrebten Zielzustand, das gewünschte Erleben des Coachees im Fokus. Sie öffnet neue Denkräume, schafft Möglichkeiten, wo vorher keine waren und lässt die Gedanken wandern.

…geht leicht von den Lippen

Die Formulierung ist authentisch und wenn z.B. meine beste Freundin sie hören würde, wäre auch sie der Meinung, die Frage passt einfach zu mir.

…ist verständlich für das Gegenüber

Fachvokabeln klingen vielleicht professionell, aber ob sie auch für den Coachee passend sind? Vielleicht wird mein Coachee lieber gefragt »Wie ist dir das damals so gut gelungen?« anstatt »Welche Ressourcen hast du dafür aktiviert?«.  Klienten kommen oft im unbekannten Coaching-Land leichter zurecht, wenn dort ihre Muttersprache gesprochen wird.

…bringt Freunde mit

Einzelne gute Fragen können Türen zu neuen Denkräumen öffnen. Stimmige Folgefragen lassen den Coachee diese neuen Räume betreten und erforschen.

…bringt das Gegenüber in die Handlung

Jedem Handeln geht die Vorstellung von Handeln voran. Um wirksame Veränderungen in Denken und Handeln zu bewirken, gilt es, unsere Klienten zu aktivieren und sie auf die Möglichkeiten in ihrem Einflussbereich, und damit die eigene Verantwortung bei der Gestaltung der Wirklichkeitskonstruktion und des Lebens, aufmerksam zu machen. Anstatt also zu fragen »Was würde die Situation ändern?«, wäre »Was kannst du tun, um die Situation zu verändern?« deutlich passender.

…passt zum aktuellen System

Je mehr das Gespräch im Coachingprozess von alleine bzw. vom Coachee aus, in die gewünschte Richtung läuft, desto unspektakulärer und alltäglicher können Fragen ausfallen. Ist der Coachee allerdings z.B. in einer starken Problemtrance, können überraschende und ungewöhnliche Fragen dem Coachee aus dem Problemdenken heraushelfen.

Mit unseren Fragen, unserem metaphorischen Musikinstrument, gestalten wir die menschliche Begegnung im Coaching. Dabei gilt neben aller Technik: Entscheidend ist nicht die Frage selbst, sondern wie ich frage, in welchem Moment, zu welcher Zeit, auf welche Weise, mit welcher Stimme, mit welchem Blick und aufgrund welchem dahinterstehenden Menschenbild. Im Glauben an eine bestimmte Methode verliere ich den Kontakt zum Menschen und für den Augenblick.

Eine offene Frage nach Ressourcen bleibt also nur eine Technik, wenn sie nicht mit der unerschütterlichen Überzeugung gestellt wird, dass der Coachee alle Ressourcen in sich trägt, die er/sie für die angestrebte Veränderung benötigt. Auch die strategisch beste Frage wird hohl klingen, wenn sie nicht einer wertschätzenden Grundhaltung entsprungen ist. Daran dürfen wir alle immer wieder denken und uns, sowie unsere Arbeit, entsprechend wohlwollend hinterfragen.

 

In diesem Sinne – lasst uns gemeinsam in unseren Systemen Gutes tun!

#Matchmaker for inspirational connections

#Multiplier for systemic change

#Master for Being

Newsletter

Der Coaching-Newsletter des Campus am See. Wertvolle Informationen aus der Coaching-Welt, alle Neuigkeiten rund um den Campus am See, Tipps und Impulse von unserem Trainer-Team direkt per E-Mail.

Newsletter