Betriebstemperatur in Gruppen

von | 05/12/2023 | Impulse & Tool-Tipps

Die Betriebstemperatur in Gruppen steuern – eine praktische Anleitung für Teamcoaches 

Gastbeitrag von Heiner Diepenhorst, Gasttrainer unserer Teamcoach-Weiterbildung

Es ist eines der besonders heißen Themen in seiner Teamcoach-Weiterbildung und deshalb finden wir es ziemlich cool, dass unser Gasttrainer Heiner Diepenhorst im Campus am See Blog mit uns seine „How-to“-Anleitung teilt, wie wir in der Arbeit mit Gruppen, die „Betriebstemperatur“ richtig einschätzen und steuern können, um die Gruppendynamik zieldienlich zu unterstützen.

Credit: Foto von Markus Winkler auf Unsplash

In der Arbeit als Teamcoach ist es hilfreich, stets ein Auge auf die Energie bzw. die Betriebstemperatur in der Gruppe zu haben. Eine hohe Energie ist nicht per se gut oder schlecht; gleiches gilt für eine niedrige Energie. Es kann hilfreich sein, in einer eher schleppenden Phase den „Pegel hochzudrehen“, um für mehr Dynamik und Beteiligung zu sorgen. Wenn die Gemüter erhitzt sind, ist es vielleicht eher sinnvoll, sich und die Gruppe „abzukühlen“.

Wenn wir im Folgenden über Symptome, Anzeichen und Eigenschaften der verschiedenen Temperaturen und im weiteren Verlauf auch über mögliche Interventionen schreiben, geht es hier lediglich um Tendenzen. Einige Symptomatiken können sowohl bei niedriger als auch bei hoher Energie vorhanden sein. Das gilt beispielsweise für die Geschwindigkeit, die bei einer hohen Energie bzw. hoher Betriebstemperatur eher schnell ist (schnelleres Sprechen, viele Wortbeiträge hintereinander).

Gleichzeitig können genau diese Parameter aber auch mit niedriger Energie einhergehen, weil die vielen zügig formulierten Wortbeiträge vielleicht am Kern des Themas vorbei gehen und zu einer unnötigen Diskussion führen. Die Energie bzw. die Temperatur sinkt. Oder aber wir reden über tiefgreifende persönliche Themen, werden ganz langsam, und die Temperatur steigt gerade deshalb stark an.

Deshalb gilt: Das Bewusstsein und die Aufmerksamkeit (auf die Betriebstemperatur) ist die halbe Miete. Ist die Temperatur adäquat? Braucht es für den Punkt, an dem wir mit der Gruppe gerade stehen, mehr Hitze oder eine Abkühlung? Wenn ihr dann, vielleicht sogar gemeinsam mit der Gruppe, überlegt, ob die Temperatur gerade passt oder was es eigentlich braucht, seid ihr schon auf einem sehr guten Weg.

In Workshops, oder auch in Teammeetings, ist es in diesem Zusammenhang auch hilfreich, die Rolle des/der EnergiewächterIn zu etablieren. Es kommt durchaus vor, dass zum Beispiel die/der Coach eine hohe Temperatur in sich spürt, während das Team gerade ganz woanders ist.

Parameter für höhere Temperaturen

  • hohes Sprechtempo, viele Wortbeiträge, Dynamik
  • Tiefgang, persönlich, emotional, Arbeit am Kern
  • unterschiedliche Perspektiven in Konflikten
  • aber auch: zu starke Hitze, zu unkonzentriert, bei Konflikten großes Potential für persönliche Verletzungen

Charakteristika niedrige Temperaturen

  • Konzentration
  • Sicherheit und vertrauensvolle Atmosphäre
  • Leichtigkeit und Fließen
  • aber auch: zu langsam, zu große Gleichförmigkeit und Oberflächlichkeit

Was erhöht tendenziell die Betriebstemperatur?

  • (Wohlmeinende) Provokation
  • Arbeit an Hot Spots, Konflikten und tiefgreifenden Wendepunkten
  • Abwechslungsreicher Methodenmix (auch hier gibt es keine Faustregel; beispielsweise kann Plenumsarbeit die Temperatur schnell erhöhen, aber auch zügig absenken)
  • Dynamische Sprache
  • Im eigenen Energie-Level unter das der Gruppe gehen, Stille aushalten und so die Gruppe kommen lassen
  • Meta-Ebene; über die Energie sprechen; was fühle ich als Coach gerade? Oder dahingehend Fragen stellen („Was braucht es gerade“) – kann die Betriebstemperatur erhöhen, aber auch wunderbar senken
  • Fokus auf Unterschiedlichkeit

Was senkt die Betriebstemperatur eher?

  • Fokus auf Gleichheit (und der Reminder: Gleichheit kann die Temperatur auch erhöhen, wenn zum Beispiel alle sehr stark in ein ähnliches tiefes Gefühl gehen…)
  • Wertschätzung des Gesagten
  • Hot Spots und Konflikte transparent benennen und die Arbeit daran vertagen
    (konkret, idealerweise mit Termin und Verantwortlichkeit: „Wer bringt das Thema wo (und mit wessen Hilfe) wieder auf?“)
  • Ruhigere Ansprache
  • Pausen, Umsetzen, Lüften
  • Stille & Meditation
  • Spaziergänge
  • Meta-Ebene; über die Energie sprechen, entsprechende Fragen stellen („Was braucht es gerade“), wie oben erwähnt, kann das die Betriebstemperatur auch erhöhen

Passende Fragen und Aussagen, z.B.:

  • „Weshalb ist das so wichtig für Dich?“
  • „Bist Du gewillt, diesen Standpunkt auch zu vertreten?“
  • „Was hast Du zu diesem Punkt noch zu sagen?“
  • „Würdest Du da zustimmen?“
  • „Welche Position nimmst Du ein?“
  • „Kann jemand die Gegenposition einnehmen?“
  • „Ihr müsst Euch für Ja oder Nein entscheiden – zumindest in diesem Moment.“ (Das zeigt die verschiedenen Dimensionen auf und schafft noch mehr Unterschiede. Je differenzierter wir fragen, umso deutlicher zeigt sich der Unterschied)
  • „Sind alle einer Meinung?“ (Die verschiedenen Beweggründe / Gefühle dahinter herausarbeiten)
  • „Wenn Du wirklich alles sagen darfst, was sich noch in Dir bewegt – was würdest Du dann sagen?“
  • „Glaubt Ihr wirklich, dass das funktioniert? Mal angenommen, es wird so umgesetzt, ist dann alles gut?“ (Teufels Advokat)

Passende Fragen und Aussagen, z.B.:

  • „Lasst uns reflektieren/spüren, was gerade geschieht“
  • „Nehmen wir mal an, beide haben recht…“
  • „Wenn ich Du wäre, würde ich mich … fühlen – und wenn ich Du wäre,
    würde ich mich auch … fühlen“ (gleiche Gefühle für zwei unterschiedliche
    Menschen in Polarität)
  • Kreiere eine „In Group“ (schafft Gleichheit und Zusammengehörigkeit), Wir
    und die Anderen
  • Sobald eine Person etwas erzählt, frage den Rest der Gruppe, wer der gleichen Meinung ist
  • Stelle heraus, dass bei zwei unterschiedlichen Meinungen beide Recht haben (Partial Truth)
  • Konfrontiere die Gruppe mit einer stark konfrontierenden Aussage, fordere sie richtig heraus, um das Gefühl von Zusammengehörigkeit/Gleichheit in der Gruppe zu fördern
  • Signalisiere Bescheidenheit: „Helft mir, diesen Punkt besser zu verstehen“

Die nächste Teamcoach-Weiterbildung mit Heiner startet übrigens am 26.2.2024. Alle Infos findest du hier: https://campus-am-see.de/teamcoach/

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