Heiner Diepenhorst im Gespräch

von | 29/06/2022 | Campus Einblicke

Interview mit Heiner Diepenhorst 

Über die Besonderheiten und Herausforderungen im Teamcoaching und unsere neue Weiterbildung zum systemischen Teamcoach

Mit unserem Gasttrainer Heiner Diepenhorst bieten wir ab September eine Intensiv-Weiterbildung zum systemischen Teamcoach beim Campus am See an. Heiner arbeitet seit über 10 Jahren als Facilitator, Teamentwickler und Teamcoach und seit einigen Jahren auch als Lehrcoach für Teamcoaching- und Facilitation-Ausbildungen.

Wir haben ihn getroffen für ein Gespräch über Herausforderungen und Besonderheiten im Teamcoaching. Was man als Teamcoach mitbringen sollte, welche Erfahrungen man nicht zwingend selbst machen muss und was Heiners ganz persönlicher Ansatz in der Arbeit als Teamcoach-Praktiker und -Ausbilder ist, lest Ihr hier.

Heiner, du bist seit vielen Jahren als Teamcoach tätig. Was fasziniert dich an der Arbeit mit Teams?

Was mich daran fasziniert ist, dass ich in kurzer Zeit vergleichsweise viele Menschen erreichen und unterstützen kann. Zumindest mehr als im Einzelcoaching. Das Besondere dabei ist ja auch, dass diese Menschen sich mich meistens nicht selbst als ihren Coach ausgesucht haben. Ich treffe also auf sehr verschiedene Persönlichkeiten mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen und Erwartungen. Als Coach in dieser Situation die Aufmerksamkeit und das Gespür zu haben, was diese spezielle Gruppe in diesem Moment braucht, was für sie Sinn macht und ihnen einen Prozess zu ermöglichen, in dem wirklich etwas Wirkungsvolles passiert, das ist meine Motivation und Faszination.

Was verstehst du unter wirkungsvoll?

Mit wirkungsvoll meine ich, dass das Team nach dem Workshop konkrete nächste Schritte gehen kann. Also nicht nur an der Oberfläche gekratzt wird, sondern in der Tiefe nachhaltig etwas erkannt und verändert wird. Und wenn dann auch noch auf einer seelischen Ebene etwas Berührendes entsteht, es also nicht nur um Business-Talk geht, sondern ein tieferes Verständnis füreinander entsteht und Menschen sich auch im Business-Kontext ganzheitlicher zeigen können – bewegt mich das am meisten.

Und wie kann das gelingen?

Ganz kurz gesagt, versuche ich die Verbindungsqualität, Logik und Tiefe aus dem Einzelcoaching in die Gruppenarbeit zu übertragen – indem ich als Coach die Haltung und den Spirit in die Gruppe bringe, als wären wir zu zweit im Raum und miteinander in einem guten Gespräch.

Was ist denn deiner Erfahrung nach, die größte Herausforderung beim Teamcoaching?

Die Kürze der Zeit. Meistens hat man mit dem Team ja nur ein, zwei Tage und bestenfalls nach einiger Zeit noch mal ein Follow-Up. In so kurzer Zeit etwas auf die Beine zu stellen, das nachhaltig wirkt, ist eine echte Herausforderung.

Dafür muss man als Coach die passenden Impulse geben, das Team sicher durch den Gesamtprozess führen und gleichzeitig die Zeit dafür geben, dass die Dinge sich entwickeln können. Dies alles als Coach in Balance zu halten, ist nicht leicht – auch weil jede Person im Raum ein anderes Geschwindigkeitsbedürfnis hat. Die einen wünschen sich Raum und Zeit, die anderen, denken eher, “Lets do it“ und wollen schnellstmöglich Ergebnisse und wieder zurück an ihren Schreibtisch.

Dieses Balancieren klingt ein bisschen wie ein Tanz…

Ja, genau, ein Tanz – mit wechselnden Partner*innen und wechselnden Tänzen. Um im Bild zu bleiben: Nur weil am Morgen der Tango funktioniert hat, kann es sein, dass es nachmittags einen Jive braucht…auch wenn ich selbst eigentlich Lust auf Discofox hab. Auch das ist eine Herausforderung: Sich selbst immer wieder wahrzunehmen „Was ist gerade meins?“ und „Was davon braucht die Gruppe gerade wirklich?“ Das ist nicht immer das gleiche.

Welche Skills braucht denn ein guter Teamcoach?

Ein „Monsterskill“ ist genau das – die Multi-Perspektivität. Die Fähigkeit, das eigene wahrzunehmen und gleichzeitig auch das andere, die vielen anderen Perspektiven im Raum. Da innerlich „fluide“ reinzugehen und zu versuchen, all die Dinge, die im Raum sind, in sich selbst zu inkludieren. Das ist eine schöne und zugleich große Aufgabe, insbesondere, wenn es in einem Team stark differierende Ansichten gibt.

Ein zweiter Aspekt, der mir persönlich wichtig ist, ist so ein spezieller Draht zu den Leuten, der es mir ermöglicht, sie ein Stück weiter über ihre Job-Welt hinaus zu erreichen. Zu signalisieren: „Ich bin ein ganz normaler Typ und rede mit Euch über berufliche Themen. Und gleichzeitig können wir jetzt gemeinsam eine Meditation machen, ohne, dass es sich komisch anfühlt“. Also zu signalisieren: „Ich bin einer von Euch und hab euch auch ein paar Sachen mitgebracht, die sind anders als euer Business-Alltag, aber hierfür sehr hilfreich.“ Es sind im Grunde ja immer noch zwei Welten. Hier an der Grenze zwischen beiden Welten unterwegs zu sein, eine Verbindung herzustellen und Ganzheit zu ermöglichen, macht mir persönlich viel Spaß.

Noch eine ganz praktische Frage: Die Weiterbildung ist ja ein Format für Menschen mit systemischer Grundausbildung. Wenn ich schon eine Einzelcoaching-Ausbildung habe, brauche ich dann noch eine Teamcoach-Weiterbildung und wenn ja, wofür?

Möglicherweise brauchst du sie gar nicht zwingend. Du kannst auch mit dem Wissen, den Methoden und der Haltung aus einer Coachingausbildung und einem Set an Modellen und Tools aus dem Teamcoaching in die Arbeit mit Gruppen starten.

Und gleichzeitig: Vieles von dem, was ich heute in Teamcoachings ganz selbstverständlich tue, basiert auf Erfahrungen, Learnings und auch Fehlern, die man nicht unbedingt immer alle selbst machen muss. Ich bin der festen Überzeugung, dass man an vielen Stellen auch einen „Short Cut“ gehen kann – zumindest, wenn man mit Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit mit Teams arbeiten möchte. Zudem möchte ich Leuten, die schon Einzelcoach sind und nicht wissen, wie sie loslegen können, Sicherheit, Klarheit, und Wissen vermitteln. So dass sie nach den fünf Tagen sagen: „Okay, so kann man es professionell angehen“. Dann fällt der Schritt ins „Teamcoach sein“, wenn die erste Anfrage kommt, viel leichter.

Klingt danach, als wäre deine persönliche Herausforderung jetzt, über 10 Jahre Teamcaoch-Erfahrung in ein komprimiertes 5-Tage-Programm zu packen?

Haha, ja genau. Es wird auch eine Sequenz geben, in der ich ganz fokussiert, meine wichtigsten Learnings teile. Da fließen auch Beispiele aus den vielen Supervisionen ein, die ich mit werdenden Teamcoaches bei ihren ersten Workshop-Gehversuchen gemacht habe – typische Stolperfallen, auf die man verzichten kann, zumindest, wenn man den Job mit Leichtigkeit und Tiefe machen möchte.

Was wäre denn mal ein Beispiel für so ein Stolperfallen-Erlebnis?

Spontan fällt mir eins ein, dass die Wichtigkeit der Auftragsklärung zeigt. Es ging um einen Teamworkshop, bei dem die Führungskraft im Vorfeld sagte, es gäbe keine Konflikte im Team, außerdem solle es „ein schöner Tag werden“. Also habe ich ein paar schöne Übungen mit der Gruppe gemacht und plötzlich zeigten sich dann doch konfliktäre Themen. In der Pause habe ich der Führungskraft empfohlen, darüber sprechen. Die Antwort war „Nein“. Die Quittung bekam ich in der Feedback-Runde: Eine Teilnehmerin sagte: „Wir hätten heute die Gelegenheit gehabt, wichtige Themen zu klären und haben sie nicht genutzt.“ Das saß. Mein Learning daraus war, schon in der Auftragsklärung mit der Führungskraft zu vereinbaren, dass Themen, die sich zeigen, angesprochen werden dürfen. Und falls sie nicht direkt im Workshop geklärt werden können, zumindest festgehalten wird, dass es sie gibt und sie bearbeitet werden sollten.

Wird es in deiner Weiterbildung auch noch vertiefend um das Thema Auftragsklärung gehen?

Auf jeden Fall. Es ist ein enorm wichtiger Schritt – auch, um für uns selbst festzustellen: Kann ich das? Will ich das als Coach? Bin ich die richtige Person für dieses Thema und Team? Und es ist auch der Rahmen, um dem Auftraggeber klarzumachen, wofür man steht, und wofür nicht.

Kannst du uns noch bisschen über das didaktische Konzept der Weiterbildung erzählen? Es ist ja ein Blended-Learning-Konzept mit Vor- und Nachbereitungsphasen…

Ja, die Idee ist, dass in der Vorbereitungsphase Basics vermittelt werden, die wichtig sind, aber zeitlich den Rahmen der fünf Präsenztage sprengen würden. Das sind zum Beispiel zentrale Modelle im Teamcoaching, aber auch Grundlegendes rund um New Work oder Achtsamkeit. So stellen wir sicher, dass wir in der Gruppe auf einem guten gemeinsamen Level starten und sofort auf die Anwendungsebene gehen können, rund um die Frage „Wie kann ich diese Ansätze gut in Teamsettings einbinden?“

In den fünf Präsenztagen werden wir dann entlang von konkreten, typischen Teamcoaching-Anlässen immer wieder den direkten Praxistransfer herstellen und zahlreiche Methoden nicht nur kennenlernen, sondern auch anwenden. Die Fälle werden ein guter Mix aus klassischen und neueren Anliegen aus dem New-Work-Kontext sein, die einem in Teamcoaching-Aufträgen immer wieder begegnen. Nicht zuletzt möchte ich auch Raum schaffen, um konkrete, aktuelle Fälle aus dem Kreis der Teilnehmenden zu besprechen.

Eine letzte, persönliche Frage: Was wäre für dich ein bestes Ergebnis aus der Weiterbildung?

Wenn die Menschen in der Abschlussrunde sagen „Wo ist mein nächstes Team? Ich hab Lust loszulegen.“ Und ganz persönlich würde ich mich freuen, wenn ich den einen oder anderen begeistern kann, das Thema Ganzheit in die Arbeit mit Teams zu bringen. Den Gruppen, mit denen man arbeitet zu signalisieren: „Okay, ich bin bei euch fürs Business, aber ich unterstütze euch auch, wenn ihr Lust auf echte Begegnung habt, auf authentisch sein und auf weniger Business-Theater.“ Wenn mir das gelingt, bin ich ein glücklicher Mann!

Herzlichen Dank, Heiner, für das spannende und offene Gespräch!

Hier geht es zu den nächsten Terminen und weiteren Details rund um unsere Weiterbildung zum systemischen Teamcoach.

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