Die Angst des Torwarts

von | 18/12/2022 | Campus Einblicke

Erfahrungsbericht eines angehenden Coaches: 

Die Angst des Torwarts beim Elfmeter – oder die Angst des (Azubi-)Coaches vorm Probe-Coaching 

Sepp Kraus steckt mittendrin in seiner Ausbildung zum systemischen Personal & Business Coach am Campus am See. In seinem sehr persönlichen Blogbeitrag beschreibt er einen dieser Momente, die wohl so ziemlich jede/r angehende Coach allzu gut kennt: Die große Aufregung vorm Probecoaching.

Von Sepp Kraus.
Wer kennt sie nicht, diese furchtbar aufregenden Momente im Leben: der erste Schultag, ein erstes Date oder auch ein erstes Probecoaching. Feuchte Hände, Nervosität, Kribbeln im Bauch und maximale Verunsicherung. Das ist die Angst des Torwarts beim Elfmeter. In meinem Fall ist es heute die Angst des (Azubi-)Coaches vor dem Probecoaching.

Wie kommt es dazu? Gibt es einen besonderen Grund? Eigentlich sollte es keinen geben, und doch ist da diese unverhältnismäßige Anspannung.

Dabei habe ich mittlerweile schon mehrere Coachings durchgeführt. An mein allererstes Coaching kann ich mich noch gut erinnern, da war noch ganz viel unbewusste Inkompetenz und auch schon ein wenig Kompetenz vorhanden, ich habe mich darauf gefreut, loslegen zu können und ohne großartig nachzudenken einfach gemacht. Ich habe mich ganz einfach auf mich und meine Intuition verlassen.

Ja, und das war gut so, ich habe gecoacht, habe mein vorhandenes Wissen eingesetzt, habe mich in weiten Teilen mit großer Sicherheit im Coaching-Prozess bewegt, habe mich verlaufen, bin Umwege gegangen, die ich gar nicht bemerkt habe, bin auch mal gestolpert, aber es hat sich in Summe für mich und für meinen Coachee stimmig und gut angefühlt.

Und was war dieses Mal los? Mein Hirn war gefühlt auf die Werkseinstellungen vor Ausbildungsbeginn zurückgesetzt. Ich wusste nichts mehr und gefühlt noch weniger – als hätte ich noch nie etwas von systemischem Coaching gehört.

Aber weshalb? Ich habe ein gutes Erstgespräch mit meinem Coachee geführt, habe ihm erklärt, was systemisches Coaching ist, was mir wichtig ist, was er erwarten kann. Wir haben kurz über sein Anliegen gesprochen, Ablauf und Dauer des Coachings geklärt und offene Fragen beantwortet. Also gibt es schon eine gute Basis.

Auch in der Ausbildung bin ich schon viel weiter als bei meinen ersten Probe-Coachings. Mittlerweile ist schon viel bewusste Kompetenz da, teilweise auch schon unbewusste Kompetenz vorhanden. Wir haben uns stundenlang Interventionen und Tools in unseren Peer-Groups angeeignet, wir haben am Campus am See sehr viel Wissen vermittelt bekommen und verinnerlicht. Ich habe viel gelesen und gelernt, habe mir selbst durch Fehler Lerngeschenke gemacht, davon spürbar profitiert – und trotz all dem weiß ich gerade rein gar nichts.

In diesem Moment hätte ich am liebsten meinen Coachee angerufen und das Coaching abgesagt, aber das war natürlich keine Option. Es klingelt an der Tür, mein Coachee ist da, jetzt gibt es kein Zurück mehr, Augen zu und durch. Irgendwie würde ich das ganze schon überleben.

… Und was soll ich sagen, ich habe den Elfmeter gehalten. Am Anfang habe ich mich noch unsicher gefühlt, aber dann war plötzlich mein „Inner-Coach“ zurück und das Vertrauen in mein Prozess-Know-how wieder da: Erst den Auslöser und Anlass klären, Auftragsklärung mit konkretem Anliegen erfragen, ein bestes Ergebnis für die Zusammenarbeit, ein bestes Ergebnis für die heutige Sitzung erarbeiten. Dann geht es an die Lösungserkundung. Sei es nur mit Fragen oder wie in diesem Fall mit einer Intervention, arbeiten wir daran, dass mein Coachee wieder Zugang zu seinen Fähigkeiten findet und dadurch Wege für seine Lösung entdeckt. Danach stellen wir sicher, dass die Lösung verbindlich in den Alltag des Coachees transferiert wird.

…Geschafft. War doch auch nicht anders als die vorigen Male, wozu also die ganze Aufregung? Wenn ich das nur wüsste. Eins ist mir jedoch schnell klar, so eine Situation möchte ich nicht mehr erleben. Und da sind wir wieder beim Sport. Um mich dort sicher und gut zu fühlen, habe ich für mich vor jedem Spiel einen festen Ablauf entwickelt, wieso also nicht auch vor jedem Coaching?

Und dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen, wir haben auch schon in der Ausbildung darüber gesprochen, wie hilfreich Vor-Coaching-Rituale sein können. Gedacht, getan. Ich bin in mich gegangen, habe mir überlegt, was mir hilft und guttut, und habe mir über verschiedene Probecoachings hinweg mein eigenes, persönliches Ritual entwickelt, dass ich jetzt vor jedem Coaching durchgehe.

Dadurch finde ich meine Ruhe, bin in meiner Komfortzone, fühle mich wohl und bin innerlich im Gleichgewicht. Und das spürt auch mein Coachee, meine Frische, Ruhe und Zufriedenheit strahlt auch auf ihn positiv aus. Die Aufregung hat sich also gelohnt. Denn wie im Fußball so gilt auch im Coaching: Jede gute Aktion beginnt im Kopf.

Wer Interesse an einem Probe-Coaching mit unserem inzwischen völlig unaufgeregten Ausbildungs-Teilnehmer Sepp Kraus hat, erreicht ihn unter coachingbysepp@gmail.com  oder über Instagram unter @coachingbysepp.

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