Lernen + Verstehen = Lebensfreude

von | 21/07/2021 | Impulse & Tool-Tipps

»Die Welt ist schon immer von denen verändert worden, die neue Fragen stellen.« 

(Henning Beck) 

Was für ein tolles Statement. Wir als Coaches sind also in Wirklichkeit viel mehr als nur Coaches – wir können (wenn wir möchten) Weltveränderer sein. In unserer Tätigkeit als Coach haben wir die Chance, andere Menschen zu ermutigen, zu inspirieren und in ihnen in gewisser Weise auch die Freude am Lernen, und damit verbunden die Freude am Leben, wiederzuerwecken – ein wichtiger Job, wie ich finde!

Aber wie hängen Lernen, Wissen und Verstehen nun zusammen und was unterscheidet sie? Wie können Unternehmen eigentlich besonders lernförderliche Rahmenbedingungen schaffen? Und wieso sollte Lernen unbedingt Spaß machen? Gerne möchte ich in diesem Beitrag einmal aufschlüsseln, wie lebenslanges Lernen gelingen kann.

Wir können nicht nicht lernen.

Wir lernen immer und ohne Unterbrechung. Ähnlich wie die bekannte Erkenntnis des Kommunikationsforschers Paul Watzlawick »Wir können nicht nicht kommunizieren« könnte man also sagen: »Wir können nicht nicht lernen«. Die Frage ist deshalb eigentlich nur noch, was wir lernen und wie wir dies tun. Bei Erwachsenen geht’s beim Lernen oft um »Veränderungslernen« – also darum, anpassungs- und veränderungsfähig zu sein und Neues mit Bestehendem zusammenzubringen. Veränderungslernen sollten wir dabei nicht mit dem altbekannten Üben oder Trainieren verwechseln. Üben führt lediglich zur fehlerfreien Wiedergabe. Wenn Menschen permanent dieselben Informationen durchkauen und sich immer wieder wiederholen, ist das Gehirn nämlich gelangweilt und wird geizig mit Aufmerksamkeit und Neugierde.

Unklarheit kann hingegen zu einem guten Maß an Unsicherheit (oder wie wir es im systemischen Arbeiten nennen, zur Irritation) führen und so einen nahrhaften Boden für erfolgreiche Wissensvermittlung oder Verstehen von Neuem bieten. Besonders hilfreich ist es auch, wenn es uns zum Beispiel durch provokative Techniken (unsere Coaching-Ausbildungsteilnehmer*innen lernen im Modul »Persönlichkeit und Humor« hierzu so einiges) gelingt, Standardmuster unserer Coachees zu durchbrechen und ganz bewusst zeitweise ein bisschen produktive Unklarheit zu stiften.

Wir sollten regelmäßig unsere Abstellkammer im Oberstübchen ausmisten.

Spannend ist an dieser Stelle auch der folgende Mechanismus unseres Gehirns, der zum Beispiel in der Ressourcen-Arbeit zum Tragen kommt: Während wir uns an alte Gedächtnisinhalte erinnern, befinden wir uns immer in einem unsicheren Zustand, in dem unser Gehirn besonders aufnahmefähig und lernbereit ist. Wir können diese Situationen also nutzen, um Erinnerungen zu verändern bzw. gleichzeitig neue Erinnerungen zu »programmieren«, die dem Coachee in der Lösung seines Anliegens dienlicher sind. So kann beispielsweise aus einer ursprünglich negativ erlebten Situation eine bewältigte Herausforderung (positives Erlebnis) werden – wir schreiben sozusagen eine neue Geschichte.

Veränderungslernen verstehen wir also als Grundvoraussetzung, um im Hier und Jetzt gute Entscheidungen für die Zukunft treffen zu können. Dafür reicht Lernen allein üblicherweise noch nicht aus – es braucht darüber hinaus auch die Fähigkeit des »Verstehens«. In der Arbeitswelt der Gegenwart und der Zukunft ist es aus unserer Erfahrung immer weniger gefragt, Gelerntes oder Trainiertes fehlerfrei »abzuspulen« – es geht vielmehr darum, echtes »Wissen« in einer immer komplexer werdenden Welt anzuwenden. Zum Lernen gehört dabei erstaunlicherweise ein gutes Maß an Vergessen, damit unser Lernsystem nicht überfordert wird. Je mehr man weiß, umso länger dauert es nämlich, das Gelernte zu aktivieren. Durch Vergessen schaffen wir Platz für neue Erinnerungen und sind damit überhaupt erst in der Lage, Neues zu lernen. Ganz schön ineffizient eigentlich … Eine notwendige Kompetenz dafür wiederum ist die Fähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen – also regelmäßig die Wohnung inklusive der Abstellkammer im Oberstübchen auszumisten und aufzuräumen.

Die individuelle Wissens-Kreation produziert AHA-Momente

Doch wie genau funktioniert denn nun Verstehen? Vereinfacht gesagt so: Es kommt eine neue Situation daher, ich kann das aktuelle Problem verallgemeinern, mein Gehirn greift auf neu gelernte Konzepte (Wissen bzw. Muster) zurück, mir gelingt es, Erfahrungen zu übertragen, ich aktiviere die Fähigkeit, Szenarien vorwegzunehmen und erschaffe über diesen Mechanismus Lösungsideen für Probleme, mit denen ich mich in der Vergangenheit noch nicht beschäftigt hatte. Ich habe also ein gedankliches Konzept erschaffen, das auch auf unbekannte Fragen und neue Situationen angewendet werden kann. Wir nennen das »Kontext-Transferlernen«. Darüber hinaus ist der Begriff »Wissensvermittlung« genau genommen irreführend. Wissen lässt sich nicht vermitteln. Ich kann lediglich Informationen in einer lernförderlichen Atmosphäre mit bestmöglichen Rahmenbedingungen vermitteln.

Wissen entsteht erst über die Art und Weise, wie jeder einzelne ganz individuell und persönlich diese Informationen oder Impulse verarbeitet. Als Lehr-Coach oder auch Change-Beraterin versetze ich also Menschen lediglich in die Lage, ihr eigenes Wissen im Baukasten-Prinzip zu kreieren bzw. zu konstruieren. Neue Informationen verschalten sich im Gehirn idealerweise mit möglichst vielen bereits vorhandenen Erfahrungen und Erinnerungen, sodass »neues« individuelles Wissen entsteht. Diese Momente der individuellen Wissens-Kreation nennen wir landläufig übrigens »AHA-Momente«…

»Die Freude am Lernen ist Ausdruck der Freude am Leben« 

Zum Abschluss möchte ich euch gerne noch die ultimative Voraussetzung für Lernen und Verstehen überhaupt verraten: Freude! Gerald Hüther, bekannter Neurobiologe und Hirnforscher, bringt das auf den Punkt: »Die Freude am Lernen ist Ausdruck der Freude am Leben.« Die Freude über eine wichtige Lernerfahrung geht immer auch mit einer Freude über meine eigene Lebendigkeit einher. Lernen und Leben sind also untrennbar (auch emotional) miteinander verbunden. Genauso können deshalb auch Unternehmen über eine spielerische, freudvolle Haltung zu Lernen und Fehlern und durch eine Kultur der Neugierde zukunftsdienliche Veränderung und Entwicklung in der Organisation fördern.
Eine spannende Erkenntnis der Hirnforschung ist nämlich auch: Unser Gehirn ist lebenslang plastisch und durch neue Erfahrungen veränderbar. Wir können damit lebenslang lernen und uns verändern – wenn wir wollen!

In diesem Sinne – lasst uns gemeinsam in unseren Systemen Gutes tun oder um es heute mal mit Henning Becks Worten zu sagen: »Wann immer man also Menschen dazu bringen möchte, neues Wissen zu erzeugen, versetze man sie in einen Zustand der Unklarheit.«

#Matchmaker for inspirational connections

#Multiplier for systemic change

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