Systemisches Hypothetisieren

von | 23/02/2021 | Impulse & Tool-Tipps

Hypothesen dehnen Wirklichkeiten aus 

Wie wir mit Annahmen im Coaching den Lösungs-Denkraum erweitern

Hypothesen sind eine großartige Möglichkeit, unsere Wirklichkeitsgrenzen auszudehnen. Eine beinahe universell einsetzbare Lieblingshypothese lautet „Könnte es auch anders sein?“ In dem Augenblick, in dem wir uns selbst diese hypothetische Frage stellen, lässt sich förmlich spüren, wie sich ein inneres Schmunzeln ausbreitet – wir überlisten damit nämlich freundlich-wertschätzend die eigene Wirklichkeitskonstruktion, die gerne mal als Wahrheit daherkommt und uns von der eigenen Weiterentwicklung abhält.

Eine stimmig formulierte Hypothese ist immer positiv und wertschätzend formuliert. Der Konjunktiv ist dabei ein absolutes Muss!

Eine Hypothese im Coaching-Kontext ist dabei zunächst einmal schlicht eine »Annahme«. Wir bilden als Coaches Annahmen, denn es liegt in unserer Natur als Menschen, ständig Annahmen über die Welt um uns herum zu bilden. Gunther Schmidt sagt dazu »Dies tut jeder Mensch ständig ganz spontan und unwillkürlich, um selbst Orientierung zu finden und handlungsfähig sein zu können. Wichtig ist es nur, sich nicht in die eigenen Hypothesen zu verlieben.« Oder wie ein anderer provokanter Satz unter Coaches lautet: »Heirate niemals deine Hypothese!«

Systemische Hypothesen sind Einwegware mit begrenzter bzw. meist sehr kurzer Haltbarkeit.

Systemische Hypothesen sind dann nützlich, wenn sie den Denkhorizont unserer Coachees erweitern und sie dadurch zu neuem Denken anregen. Das ist immer ein Balanceakt: nicht zu sehr vereinbar mit den gewohnten Überzeugungen der Coachees, aber auch nicht zu ungewohnt und befremdend. Grundlage dieser Hypothesen ist unser Wissen über systemische Zusammenhänge in Bezug auf Problem und Lösung bzw. die dazugehörigen Prozesse. Sie sorgen für Orientierung und Navigation, indem sie den Coachees einen Draufblick auf ihre Verhaltens- und Denkmuster bzw. die selbst geschaffenen Regeln in der eigenen Welt ermöglichen. Sind diese Regeln bekannt und präsent für unsere Coachees, können sie selbst entscheiden, diese zu behalten oder sie im Hinblick auf das angestrebte Ziel zu verändern.

Für nützliche Hypothesen verbinden wir sozusagen die »losen Enden« des Gesagten probehalber zu »einem Ganzen«.

Der Coachee prüft dann, ob das passt. Wenn nicht, probieren wir uns an der nächsten möglichen Passung, und damit einer neuen Wahlmöglichkeit für den Coachee. Gunther Schmidt schlägt vor, dass wir unsere Rolle als Coach als die des »Realitätenkellners« sehen: Wir bieten ein großes Menü mit bunter Auswahl an. Der Gast entscheidet autonom, ob er etwas von diesem Menü wählen möchte, ob er es lediglich als Anregung versteht oder doch ein ganz anderes Menü haben möchte. Unsere Hypothesen haben also nicht den Anspruch, »richtig« oder »wahr« zu sein. Sie sind ein Angebot, das »Problem« anders zu sehen, eine andere Haltung einzunehmen, ein (neues) Verständnis über mögliche Zusammenhänge zu bekommen und so den Fokus Richtung Lösung, also erwünschtes Verhalten, zu legen. Es ist deshalb immer sinnvoll, Hypothesen als Fragen, nicht als Statement zu formulieren.

Entscheidend ist das Feedback, das bei den Coachees durch die Hypothese ausgelöst wird.

Meldet sich eine innere Stimme zu Wort? Werden Gedanken angestoßen, die sich sofort zu einem Handlungsplan zusammensetzen? Fokussieren wir in unserer Arbeit darauf, was unsere Hypothesen bei unseren Coachees auslösen, sind die jeweils eigenen Ressourcen (Bauchgefühl, innere Stimme, die Fähigkeit, sofort einen Plan zu entwickeln etc.) das, was den Weg zur Lösungsfindung bestimmt. Nicht unsere Hypothesen. Die Erfahrung zeigt, dass Coachees es immer wieder schaffen, sich selbst und auch uns als Coaches mit eigenen Hypothesen und Lösungen zu überraschen – das ist dann in der Tat ein bisschen zum Verlieben.

In diesem Sinne – lasst uns gemeinsam in unseren Systemen Gutes tun!

#Matchmaker for inspirational connections

#Multiplier for systemic change

#Master for Being

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