Weiterbildung & Business Coaching

von | 27/10/2022 | Impulse & Tool-Tipps

Coaching als Weiterbildungskatalysator? 

»Viele verfolgen hartnäckig den Weg, den sie gewählt haben, aber nur wenige das Ziel«. (Friedrich Nietzsche)

Im Juni dieses Jahres erschien ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung, der sich mit der fachlichen und persönlichen Weiterentwicklung von Menschen im Job beschäftigte. Es ging unter anderem darum, dass sich Führungskräfte von Weiterbildungsmaßnahmen besser qualifizierte Angestellte, mehr Möglichkeiten und vielleicht sogar mehr Motivation versprechen. Konträr dazu standen folgende, in dem Artikel genannte, Zahlen: Lediglich etwa 35 Prozent der Erwachsenen nehmen laut jüngeren Umfragen von 2018 an Weiterbildungsmaßnahmen teil – und davon nutzen nur 15 Prozent die gewonnenen Erkenntnisse.

Aus meiner Zeit als Trainerin für Führungskräfte kann ich diese Zahlen rein subjektiv ziemlich genau so bestätigen. Die meisten aufstrebenden Mitarbeiter und (künftigen) Führungskräfte, die hochmotiviert am Ende eines Trainings die neu gewonnenen Erkenntnisse in ihren beruflichen Alltag transferieren wollten, scheiterten bereits nach maximal vier Wochen an den eigenen Vorhaben.

Doch womit hat das eigentlich zu tun? Welche Rolle spielt dabei Business Coaching im Weiterbildungskonzept von Unternehmen? Was macht Business Coaching als eines von mehreren möglichen Entwicklungsformaten so wirkungsvoll? Und kann Business Coaching vielleicht sogar der Schlüssel zu nachhaltigeren Trainings sein?

Dazu erst einmal ein kleiner Ausflug in die Welt des Business Coachings

Die individuelle Förderung von Mitarbeitern in Unternehmen ist in der heutigen Zeit, die von stetiger Veränderung, hoher Komplexität und disruptiven Strukturen geprägt ist, nicht mehr wegzudenken. Menschen sind mehr denn je gefordert, regelmäßig zu reflektieren, Veränderungen flexibel mitzugehen und neben verschiedenen Kompetenzen auch die eigene Resilienz zu stärken, um langfristig gesund und leistungsfähig zu bleiben. Nicht ohne Grund sind die Kondratieff-Forscher, die langfristige Konjunkturwellen untersuchen, der Auffassung, dass wir uns inzwischen in einer 6. Welle befinden, die mit einem Zyklus der psychosozialen Gesundheit verbunden ist, in dem die ganzheitliche Gesundheit der Menschen an oberster Stelle steht.

Die meisten Unternehmen investieren daher mittlerweile viel Zeit, Energie und Geld in ihre Personalentwicklungsstrategien und erarbeiten aufwändige Gesamtkonzepte, die den gesamtgesellschaftlichen, kulturellen, demografischen, aber auch individuellen Interessen gerecht werden. Business Coaching fungiert in diesen Gesamtkonzepten meist als fest verankertes und sinnvolles Führungs- und Entwicklungsinstrument, bei dem auch immer mehr die ganzheitliche (mentale) Gesundheit der Menschen im Unternehmen eine hohe Priorität bekommt (Stichwort „Mental health“ Angebote).

Der Einzelne an der Schnittstelle zum Unternehmen

Doch nicht nur Unternehmen als Ganzes, sondern auch die Mitarbeiter selbst haben heutzutage großes Interesse daran, sich stetig und gesund weiterzuentwickeln, sich in ihrer Tätigkeit zu verwirklichen und gelungene Beziehungen auch im Job zu pflegen. Es geht also um die Entwicklung des Einzelnen an der Schnittstelle zum Unternehmen. Die Herausforderung als Business Coach ist es daher, neben unserer fachlichen und menschlichen Expertise, das System der Organisation gleichzeitig zum Einzelcoaching immer mit auf dem Radar zu behalten.

In Unternehmen finden wir, über das Einzelcoaching hinaus, verschiedene Gesetzmäßigkeiten wie Dynamiken, Prozessorientierung, Unvorhersehbarkeit, Vernetztheit, Zirkularität und Intransparenz, die sich maßgeblich auf die Weiterentwicklung des Einzelnen auswirken. Beziehen wir diese nicht mit ein, führt das im schlimmsten Fall dazu, dass die Arbeit als Coach (und übrigens auch als Trainer) nahezu erfolglos bleibt.

Von der Transformation im Außen zur Transformation im Innen

Hektik, Unsicherheit, Digitalisierung, hoher Wettbewerbsdruck und ein ständiges „Mehr“ von allem verleiten insbesondere Personalverantwortliche dazu, mit einem „Mehr“ an Maßnahmen dagegenzuhalten. Doch leider sind diese Maßnahmen nicht immer gut miteinander verzahnt und die Überlegungen, welche Maßnahmen strategisch am besten zum angestrebten Ziel passen, kommen dann zu kurz.

Es ist zwar klar, dass angestrebte und notwendige Transformationen im Außen auch entsprechende Transformationen im Innen erforderlich machen, doch nach wie vor wird hier eher nach dem Gießkannenprinzip verfahren und schnell mal für alle Mitarbeiter ein mehrstufiges und teures Trainingskonzept gelauncht. Wenn dann allerdings der nachhaltige Transfer – der erfahrungsgemäß weniger über Trainings, als vielmehr über individuelle Verhaltensänderungen vonstatten geht – vergessen wird, lässt sich langsam erahnen, warum lediglich 15 Prozent der Mitarbeiter die gewonnenen Erkenntnisse nutzen.

Unternehmen sind meiner Beobachtung nach immer noch händeringend auf der Suche nach Entwicklungsformaten, die einerseits effizient und andererseits wirkungsvoll die Transformation im Innen unterstützen können. Von Mitarbeitern und Führungskräften wird erwartet, sich immer schneller und besser in volatilen Strukturen und Prozessen zurechtzufinden und dabei eine hohe Flexibilität, gepaart mit einer ausgeprägten Problemlösungskompetenz an den Tag zu legen.

Wäre es da nicht klasse, wenn es ein Allheilmittel gäbe, das ohne unangenehme Begleiterscheinungen und mit hoher Geschwindigkeit diese Transformation fördert? 

Business Coaching als DAS Allheilmittel?

Als genau dieses Allheilmittel wird Business Coaching häufig (auch von Coaches selbst…) propagiert und wenn es dann anders kommt als erhofft, liegt es – laut Unternehmen – daran, dass Coaching halt doch nicht wirkt oder – laut Business Coach – dass Klient oder Unternehmen einfach noch nicht bereit dafür waren…

Meine erfahrungsgestützte These dazu lautet: Coaching kann unglaublich viel, wenn es zur richtigen Zeit und am richtigen Ort eingesetzt wird – vorausgesetzt, es handelt sich um professionell durchgeführtes Coaching.

Mit unserem Beratungsunternehmen CHANGEsupport legen wir unter anderem deshalb sehr viel Wert auf ausführliche Auftragsklärungen und sprechen im Austausch mit Personalverantwortlichen immer öfter auch von der „Wertschöpfungskette Mensch“. Dies mutet zwar erst einmal etwas technisch an, lenkt damit aber die Aufmerksamkeit direkt schon auf die Verzahnung von Maßnahmen, um dann weniger über einzelne Maßnahmen und mehr über erwünschte Ergebnisse (übergeordnete Ziele und Strategien von Maßnahmen) zu sprechen.  

Um als Unternehmen nachhaltig von Coaching zu profitieren, ist es beispielsweise von grundlegender Bedeutung, erst einmal eine dafür förderliche Haltung in der Unternehmenskultur zu verankern. Das ist eine Haltung, die Raum für Entwicklungsprozesse und Reflektion ermöglicht und gleichzeitig von Lösungsorientierung geprägt ist. Eine solche Haltung entsteht nicht automatisch dadurch, dass wenige Mitarbeiter oder Führungskräfte ein paar Business Coaching Sessions absolvieren.

Coaching benötigt fruchtbaren und vorbereiteten Boden 

Vielmehr braucht es ein stimmiges Gesamtkonzept, eine Personalentwicklungsstrategie, in die Coaching als ein Element an passender Stelle eingebettet werden kann. Zum Beispiel als vertiefendes Individualangebot in Verknüpfung zu einem Training oder in Kombinationen mit Workshops, bei denen zum System passende Lösungsansätze erarbeitet werden. In diesen Fällen kann Business Coaching seine großartige Wirkung oft noch viel besser entfalten – weil der Samen des Coachings auf fruchtbaren und vorbereiteten Boden fällt. Und andersherum: die Erkenntnisse aus Trainings und Workshops werden meist erst durch nachfolgende Coaching-Einheiten nachhaltig im Alltag optimal implementiert.

Als Coaches sind wir natürlich davon überzeugt, dass Coaching effektiv und intensiv den Entwicklungsprozess von Menschen beeinflussen kann und damit generell für alle Unternehmen von Interesse sein sollte. Nichtsdestotrotz sollten wir im Business-Kontext keinesfalls vergessen, dass wir es mit einem weiteren System, nämlich dem des Unternehmens, zu tun haben. Während die Grenzen eines Coachings im privaten Kontext sehr eng mit der Person unseres Coachees und damit auch mit einem hohen Maß an Selbstwirksamkeit verbunden sind, kommen im Business-Kontext weitere Faktoren hinzu, die wir unbedingt beachten müssen.

Ich möchte hier deshalb zum Abschluss noch einmal ganz explizit auf wichtige Rahmenbedingungen und Grenzen von Business Coaching eingehen. Die folgenden Stichpunkte können uns als Coach auch bereits bei der Auftragsklärung helfen, schnell herauszufinden, ob ein Coaching-Mandat einen Beitrag zu nachhaltiger Veränderung leisten kann.

BUSINESS COACHING IST NICHT SINNVOLL, WENN…
… gravierende Leistungsmängel des Mitarbeiters schnell behoben werden sollen.
… der Coachee wenig oder kein Interesse an der eigenen Veränderung hat bzw. den Bedarf nicht erkennt.
… Stakeholder oder das Unternehmen selbst die Umsetzung des Erarbeiteten blockieren oder sabotieren.
… das Unternehmen damit eine »geheime Mission« verfolgt oder dem Coachee gegenüber manipulative Absichten hat.
… offensichtlich ist, dass das angestrebte Ziel, nur – oder deutlich besser – durch eine andere Beratungsform erreicht werden kann.

BUSINESS COACHING IST SINNVOLL, WENN…
… Freiwilligkeit und Veränderungsmotivation beim Coachee gegeben sind.
… eine mittel- bis langfristige Verhaltensänderung angestrebt wird.
… die Unternehmenskultur von Offenheit gegenüber Entwicklungsprozessen und Veränderung geprägt ist.
… allen Beteiligten klar ist, was Coaching leisten kann und was nicht.
… Unternehmen und Coachee sich einig darüber sind, was durch die Maßnahme erreicht werden soll.

Und so schließt sich dann auch der Kreis zum Artikel in der Süddeutschen Zeitung: Trainings und Business Coachings sind hervorragende Mittel, um Menschen im Unternehmenskontext zu fördern und zu entwickeln. Aber bitte unbedingt freiwillig und auf alle Fälle mit einer realistischen Idee, welches „Beratungsformat“ für das jeweils angestrebte Veränderungsziel am geeignetsten ist. Denn Coaching und Training können viel – allerdings kann kein Entwicklungsformat Wunder bewirken. Im besten Fall ergänzen sich unterschiedliche Maßnahmen und führen so insgesamt zu einer nachhaltigen und individuellen Veränderung, die sowohl dem Einzelnen als auch dem Unternehmen dient.

In diesem Sinne: lasst uns in unseren Systemen Gutes tun!

#Matchmaker for inspirational connections

#Multiplier for systemic change

#Master for Being

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